Faszinierendes Naturspektakel – Grotten von Frassasi
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Marie Fröhlich
- 09. August 2021
- Italien – la dolce vita
Ich stelle mein Auto am Parcheggio San Vittore ab. Bin früh dran, der Parkplatz ist noch komplett leer. Allerdings steht schon eine „Navetta“ da – der italienische Shuttle-Bus, der die Besucher kostenlos vom Parkplatz zum Eingang der Grotten bringt.
Der Busfahrer ist dabei, eine Absperrung einzurichten, die seine Haltestelle markiert. Entschlossen gehe ich auf ihn zu und frage: „Wo bekomme ich die Biglietti für die Grotten?“. Woraufhin er mir detailreich erklärt, dass ich bis zum nächsten Parkplatz weiterfahren solle, der sich noch etwa 900 Meter entfernt befindet. Wenn ich das Ticket gekauft habe, würde ich von dort mit dieser Navetta zu den Eingang der Grotten gefahren, die wiederum etwa 900 Meter hinter mir sind. Alles ganz easy und perfekt organisiert, erklärt er mir.
Da es so ein schöner Tag ist und ich die morgendliche Kühle inmitten der eindrucksvollen Landschaft ein wenig genießen möchte, entscheide ich mich, den Wagen stehen zu lassen und einen Spaziergang bis zur Biglietteria zu machen. Der Busfahrer erklärt mir jetzt ein zweites Mal den selben Weg, nur halt zu Fuß. So schwierig kann es ja nicht sein, immer geradeaus zu gehen und „ad un certo punto“, also an einem gewissen Punkt die Treppen zu nehmen, die zu einem großen Parkplatz hinunterführen, auf dem sich auch der Ticketschalter befindet.
Dachte ich.
Die Herausforderung ist, dass ich schon nach ein paarhundert Metern auf die ersten Treppen stoße. Und kurz danach auf die nächsten. Die dritten Stufen nehme ich dann einfach mal. Es stellt sich heraus, dass alle diese Stufen in den kleinen Borgo von San Vittore führen, der ein Thermenhotel, eine entzückende romanische Kirche, ein interessantes speläologisches Museum, eine Bar-Tabacchi und zwei Restaurants beheimatet.
Ich sehe mich nach einem Einheimischen um, den ich sicherheitshalber nochmal nach dem Weg fragen kann, weil ich keine Lust habe, die Treppen wieder hinaufzuklettern und auf der Hauptstraße weiterzulaufen. Mir fällt eine Gruppe von Italienern in voller Klettermontur auf, die sich auf den Weg macht, die steilen Felswände und Schluchten des Wildbachs Sentino zu entdecken. In diesem Moment biegt ein älterer Herr mit einem Kinderwagen um die Ecke. Der ist sicher von hier, denke ich mir und spreche ihn an. Richtig geraten! Sofort erzählt mir der Mann, dass er 42 Jahre in den Grotten von Frasassi gearbeitet hätte und er dementsprechend kompetent sei, mir die paarhundert Meter Weg bis zum Ticketschalter zu erklären. Was habe ich nur immer für ein Glück.
Italiener sind reizende Menschen. Sie helfen wirklich gerne. Die Wegbeschreibung geben sie dir auch zweimal, damit sie sicher sind, dass du alles verstanden hast. Und du kannst dich darauf verlassen, dass die Distanzen fast immer geschätzt und die angegebenen Zeiten fiktiv sind. Fünf Minuten können rasch zu einer längeren Wanderung ausarten. Und „un certo punto“ existiert in ihrem Kopf, kann aber nicht näher beschrieben werden – sonst gäbe es ja ein konkretes Wort dafür.
Natürlich laufe ich Gefahr, mich wieder zu verlaufen. Denn auch dieser freundliche Italiener erklärt mir wortreich, wo ich hinmüsse und welche Abkürzung ich nehmen solle, um noch schneller ans Ziel zu kommen. Aber auch er benützt die Formulierung „ad un certo punto“. Halt! Hier hake ich gleich nach und lasse mir genau erklären, wo dieser gewisse Punkt ist. Nachdem ich mir seine Lebensgeschichte angehört und die Wegbeschreibung ein zweites Mal bekommen habe, ist alles ein Kinderspiel -10 Minuten später bin ich vor Ort.
Und dann bin ich kurz mal entsetzt.
Eine derartig touristische Infrastruktur hätte ich hier nicht erwartet. Neben einem großen Parkplatz stehen zig Verpflegungs- und Souvenierstände, durch die man erstmal durch muss, um an die Tickets zu kommen. Per fortuna ist die Schlange am Kassenschalter kurz, ich hole mir rasch meine Karten.
Und dann bin ich einfach nur dankbar für dieses Angebot.
Ich genieße einen Kaffee, kaufe mir ein Porchetta-Brot, eine Flasche Wasser und … einen warmen Schal. Warum? Weil ich für 38 Grad Außentemperatur gekleidet bin (falls das überhaupt möglich ist). In den Grotten hat es aber nur 14 Grad – da sollte man sich warm anziehen!
Die Besichtigung ist fantastisch organisiert. Alle 10 Minuten startet eine Führung mit einer kleinen Gruppe von ca. 30 Personen. Bereits auf dem Ticket ist die Uhrzeit für die Navetta vermerkt. Der Shuttlebus fährt alle 10 Minuten mit der entsprechenden Gruppe los und bringt uns bis zum Eingang der Grotten, wo wir direkt von der Guide empfangen und sofort in den Stollen geleitet werden. Es gibt keinerlei Wartezeit. Kompliment an diese (wirklich italienische?) Organisation!
Ich bin um 10.40 Uhr an der Reihe.
Voller Vorfreude trete ich gleich hinter unserer Führerin Federica in die erste Höhle ein. Sie ist von gigantischem Ausmaß und spektakulär. Einfach umwerfend!
Wir erfahren, dass im September 1971 der Höhlenforscher Rolando Silvestro einen Stein in eine kleine Felsspalte in die Frasassi-Schlucht warf und das Echo lange auf sich warten ließ. Daraufhin begannen die Speläologen, in die dunkle Höhle einzusteigen. Sie befestigten eine Trittleiter und stiegen sie hinunter. Als sie auf der letzten Stufe der Leiter standen und wieder einen Stein warfen, und das Echo noch immer auf sich warten ließ, bekamen sie eine erste Idee von den riesigen Ausmaßen.
Heute können wir in der 90-minütigen Führung sechs „Räume“ dieses beeindruckenden Naturschauspiels besichtigen. Es gibt Tausende von Stalagmiten (vom Boden nach oben) und Stalagtiten (von der Höhlendecke nach unten), die in 100 Jahren nur maximal 15 mm wachsen. Beim Anblick der bis zu 20 Meter hohen Eisformationen komme ich mir ganz klein (und ganz jung) vor!
Wie fantastisch diese zauberhafte Unterwelt ist, kann ich nicht mit Worten beschreiben. Mit ein bisschen Fantasie kann man Dromedare, Bären, Weihnachtsmänner, das Gesicht von Dante Alighieri und vieles mehr in den Millionen von Jahren alten Höhlen entdecken.
Auch ich möchte dir dieses Naturschauspiel durch Bilder näherbringen und wünsche ich dir viel Vergnügen mit den Impressionen aus den Grotten von Frasassi
Tipps:
- Trittfeste Schuhe, leichte Weste, Pulli oder Jacke mitnehmen. Es hat konstant 14 Grad in den Grotten. Der geführte Rundgang dauert 90 Minuten und da kann es schon kühl werden. Außerdem tropft es immer wieder mal von oben herunter – was das großartige Erlebnis aber nur noch schöner und sensueller macht.
- Die Grotten sind für Kinderwagen, Rollstuhlfahrer oder gehbehinderte Menschen nicht geeignet. Für sie geht es nur durch den Eingangstunnel bis in die erste riesige Höhle. Danach ist der Weg durch die „Räume“ durch ein perfektes System von schmalen Stegen und Treppen verbunden. In meiner Gruppe sind allerdings vom dreijährigen Kind (über verliebte Pärchen, die nur Augen für sich selbst und kaum für dieses Spektakel haben) bis zum 80-jährigen alle dabei. Die Kinder sind begeistert und auch für die Großen ist dieses Wunder der Natur faszinierend, kurzweilig und abwechslungsreich.
- Mit dem Ticket für die Grotten (18 Euro) kann man auch das kleine Speleo-Museum im Borgo San Vittore und das Museum von Genga besichtigen. Alle Parkplätze sind gratis.
- Unbedingt auch einen Blick in die entzückende romanische Kirche der „Abbazia di San Vittore delle Chiuse“ im Borgo San Vittore werfen!
- In den Grotten von Frasassi werden auch von Höhlenforschern geführte Spezialtouren angeboten. Es werden auch Führungen in Fremdsprachen – darunter auch in Deutsch – angeboten. Informationen und Online-Tickets unter https://www.frasassi.com/Home.aspx?L=DE
Der kleine Italienischkurs:
Biglietti = Eintrittskarten
Biglietteria = Ticketschalter
Navetta = Shuttlebus
Parcheggio = Parkplatz
Per fortuna = zum Glück
Porchetta = Spanferkel, wird vorwiegend kalt mit Weißbrot oder Pizza gegessen
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